Liegedreirad Scorpion von HP Velotechnik
Eigentlich sparte ich noch für die Rohloff-Schaltung am Hollandrad, als ich irgendwann Anfang 2006 erstmals begann, mich für ein Liegedreirad bzw. Trike zu interessieren.
Die Begegnung mit einem Trike-Fahrer in Freiburg während meiner Planwagentour durch Deutschland 2006 gab dann wohl den letzten Ausschlag. Von da an war klar: ich spare auf ein Trike.
Zuerst einmal mußte ich das passende Modell finden. Von vornherein war klar, möglichst flach sollte es sein und die zwei Räder sollten vorne sein und nicht hinten. Außerdem mußte es tourentauglich sein, also brauchte es einen Gepäckträger, genügend Zuladung sowie die Möglichkeit, einen Anhänger zu benutzen. Und natürlich sollte es schön und bequem sein.
Fündig wurde ich bei HP Velotechnik mit dem Modell Scorpion, welches mir auf Anhieb gefiel. Es erfüllte alle meine Kriterien und sah auch noch richtig gut aus.
Es dauerte noch bis Frühling 2007, ehe ich dazu kam, endlich eine Probefahrt mit dem Scorpion zu machen. Bei Jan Cordes in Uelzen durfte ich eine Runde drehen, und wieder war ich sofort überzeugt vom Scorpion. Kannte ich das Rad bis dahin nur von Bildern, so wußte ich jetzt, daß es mir auch wirklicht passt.
Ende Mai ’07 war es dann soweit: ich gab mein Scorpion in Auftrag. Natürlich nicht in der spartanischen Grundausstattung, sondern mit allen für die Reise nötigen Details und noch ein paar Sonderwünschen:
1. Schaltung mit 81 Gängen
Natürlich braucht niemand 81 verschiedene Gänge, und natürlich hat auch die Schaltung des Scorpion bestehend aus Shimano XT 27-Gang Schaltung und SRAM DualDrive 3-Gang Nabe keine 81 verschiedenen Gänge (denn einige Gänge überschneiden sich). Aber ich gehöre zu denen, die nicht unbedingt die Beine fliegen lassen, sprich ich kann meine langen Stelzen nur mit Mühe auf hohe Trittfrequenzen bringen.
Also benötige ich am Berg entsprechend kurz übersetzte Gänge. Und da ich bergab natürlich auch mittreten will, müssen die oberen Gänge schön lang übersetzt sein. Und genau das bietet die 81-Gang Schaltung.
Mit leicht angepassten Kettenblättern gegenüber der Standardversion von HP (30-42-56 statt 30-40-52) erreiche ich eine Bandbreite von 0,98m im kleinsten bis 10,57m im größten Gang. Das sind sage und schreibe 1.075%. Und durch die große Anzahl von Gängen findet sich in jeder Situation der passende.
Eigentlich sollte es sogar ein 58er Kettenblatt als größtes werden, dafür gab’s aber keinen passenden Kettenschutzring.
2. Hydraulische Scheibenbremse Magura Louise
Im Originalzustand ist das Scorpion mit mechanischen Scheibenbremsen ausgestattet. Die sind sicherlich für den Alltagsbetrieb ausreichend, aber mit viel Gepäck auf großer Tour muß etwas leistungsstärkeres und standhafteres her. HP bietet optional die Magura Marta mit 160mm Scheiben an, welche sicher voll ausreichende Leistung erbringt.
Für den selben Preis gibt es von Magura aber auch die Louise mit 180er Scheiben und verbesserter Kühlung (Ventidisc). Also entschied ich mich für diese Variante. Von der reinen Bremsleistung eher überdimensioniert bieten die größeren Scheiben aber genug Standfestigkeit, um auch mal längere steile Abfahrten mit viel Gepäck anstandslos zu meistern.
Erst bei der Montage der Scheiben stellte sich dann heraus, daß die Ventidisc am Scorpion nicht passen. Denn die Scheiben können nur in einer Richtung montiert werden, am linken Rad würde die Scheibe dann verkehrtrum laufen. Also wurden die normalen SL-Scheiben montiert. Der Unterschied dürfte hauptsächlich ein optischer sein.
Natürlich hat das Rad auch eine Hinterradbremse. Diese ist eine einfache V-Brake, welche über einen Rasthebel betätigt wird. Sie dient also als Parkbremse.
3. Lichtanlage mit SON und Inoled 20+
Ich bin zwar kein ausgesprochener Nachtfahrer, aber auch tagsüber fahre ich gerne mit Licht. Vor allem bei schlechtem Wetter oder in schattigen Waldstücken kann Licht lebensrettend sein. Ein Seitenläufer kam daher nicht in Frage; nicht nur wegen des schlechteren Wirkungsgrades, auch wegen der nervenden Geräuschentwicklung. Auf dem Trike ist das Ohr nah dran am Hinterrad.
Also war klar, ein Nabendynamo gehört ans Rad. Da stört es auch nicht, das der SON als einziger für einseitige Radaufnahme lieferbar ist, denn für den hätte ich mich aufgrund seiner Qualität sowieso entschieden.
Als Lichtquelle brauchte ich natürlich etwas starkes, was auch eine hohe Lebensdauer hat. Der Inoled 20+ scheint mir da die passende Wahl zu sein. Das er, im Gegensatz zu seinem kleinen Bruder Inoled 10+, keine Straßenzulassung hat, stört mich eigentlich weniger. Hauptsache ich werde gut gesehen und gefährde niemanden.
4. Bequem und sauber
Bequem heißt, ich sitze auf einer Airflow-Sitzauflage. Die von HP ist allerdings zweigeteilt, weshalb sie eine Kante in der Mitte hat, welche auf längeren Strecken sicher unangenehm sein kann. Allerdings brauche ich keine zweigeteilte Sitzauflage, denn ich stelle den Sitz nur einmal auf meine Größe ein. Außer mir fährt ja niemand das Rad.
Für solche Fälle hat Jan Cordes einteilige Sitzauflagen herstellen lassen, die zudem noch etwas dicker gepolstert sind als die Originale von HP.
Natürlich habe ich auch eine Kopfstütze geordert, wenn schon bequem dann richtig bequem. Unterwegs beim Zelten wird das Rad ja auch die Funktion des Sessels übernehmen, und da ist es nicht schlecht, auch mal den Kopf zurücklegen zu können.
Leider ist auf meinen Touren nicht immer schönes Sonnenscheinwetter, deshalb habe ich natürlich das Rad mit Schutzblechen geordert. Ich möchte ja nicht auch noch von unten naß werden.
5. Gepäcktransport
Was wäre ein Reiserad ohne Gepäckträger? Jener vom Scorpion ist gefedert und transportiert bis zu 25 KG Gepäck. Das sollte eigentlich ausreichend sein, aber ich kenne mich. Meine Packlisten sind meist sehr lang, und so liebäugele ich schon mit einem Anhänger für’s Scorpion. Dafür allerdings brauche ich eine individuelle Kupplung, denn "normale" Kupplungen kollidieren mit dem Gepäckträger.
Eine elegante Lösung habe ich für den Transport diverser Kleinteile gefunden, die man gerne direkt in Griffweite hat. Da eine Lenkertasche mangels Lenker nicht in Frage kommt, wurde mittig auf dem Rahmen ein weiterer Flaschenhalter montiert. In diesen wird eine spezielle Tasche von Rose gesteckt, die eigentlich als Kühltasche für Trinkflaschen gedacht ist, aber auch wunderbar für Schlüssel, Geldbeutel, Tempos, etc. geeignet ist.
6. Viele Kleinigkeiten
Klickpedale Shimano PDM324
Gerade auf einem Trike mit zwei Rädern vorne ist es sehr wichtig, nicht von den Pedalen zu rutschen. Denn kommt ein Fuß auf den Boden, schiebt er sich unter den Querträger … und das wird eine schmerzhafte Erfahrung und viel Arbeit für den Chirurgen. Mit den Shimano-Pedalen habe ich schon am Hollandrad gute Erfahrungen gemacht, also sind sie auch am Scorpion.
2 Spiegel
Einer rechts, einer links. Denn auch nach hinten möchte ich genug sehen können.
Tacho Sigma BC 1606L
Es hätte auch ein kleinerer getan, aber ich wollte unbedingt kabelgebunden und Trittfrequenz. Und mit Sigma war ich bisher sehr zufrieden.
Flaschenhalter
Von HP werden zwei Metall-Flaschenhalter beidseitig des Sitzes verbaut. Diese habe ich durch Kunstoffhalter ersetzen lassen, da die Trinkflaschen darin nicht so häßlich verkratzen.
Airzound
Eine Klingel hat das Scorpion ab Werk. Gerade im Stadtverkehr kann bei so einem niedrigen Rad aber etwas kräftigeres nie schaden.
Autoventile
Ab Werk hat das Scorpion Sclaverand-Ventile . Ich finde es aber ungemein praktisch, ohne Adapter an jeder Tankstelle die Reifen befüllen zu können, daher habe ich Schläuche mit Autoventilen (auch Schrader-Ventil genannt) genommen.
Wimpel
Auch hier wieder: hauptsache gesehen werden, wenn’s auch nicht so schön aussieht.
Natürlich gibt’s auch am Scorpion ein paar Kleinigkeiten, die ab Werk nicht machbar waren, welche mich aber stören. Daher wird es in Zukunft sicher noch den ein oder anderen kleinen Umbau geben.
Als erstes werde ich wohl eine Anhängerkupplung basteln müssen. Meine bisherigen Anhänger haben alle Weber-Kupplungen. Und obwohl ich mit sehr schweren Gewichten wie meinem Planwagen nicht die besten Erfahrungen mit der Weber-Kupplung gemacht habe, so halte ich sie doch im normalen Gewichtsbereich bis 40KG für eine der besten Kupplungen am Markt.
Auch nicht schön finde ich, daß ich meine Ortlieb Backroller nicht in die untere Ebene des Gepäckträgers einhängen kann, auch hier werde ich mir etwas überlegen.
Alle Umbauten und Optimierungen am Scorpion werde ich natürlich wieder in Bild und Text dokumentieren und im Bereich Umbau Scorpion veröffentlichen. Ein paar erste Kleinigkeiten sind dort bereits aufgeführt.